Reform der Notfallversorgung nur bei Qualitätssicherung und Kostenstabilität denkbar

Bild: Patrick Josefowiez

Im Niedersächsischen Landtag wurde im Rahmen der Plenarsitzung am Mittwoch (26.2.2020) im Rahmen einer Aktuellen Stunde unter der Überschrift „Rettet die 112“ die Reform der Notfallversorgung diskutiert. Im Mittelpunkt stand der Referentenentwurf aus dem Hause von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Der Entwurf sieht vor, erheblich in die Organisationshoheit und Finanzverpflichtungen der Länder einzugreifen: Der Rettungsdienst soll demnach nicht mehr eine Aufgabe der Gefahrenabwehr sein, sondern in das System der gesetzlichen Krankenversicherung überführt werden.

Für den heimischen SPD-Landtagsabgeordneten Oliver Lottke aus Loxstedt hat bei allen Reformabsichten oberste Priorität, dass die Versorgungsqualität in den Landkreisen Cuxhaven und Osterholz in der Notfallversorgung erhalten bleibt und die Landkreise nicht mit zusätzlichen Kosten belastet werden: „Ich habe darüber hinaus meine Zweifel, ob es funktionieren kann, dass in einer neu zu schaffenden integrierten Leitstellenstruktur künftig sowohl Rettungsdienst-Einsätze koordiniert als auch Facharzttermine vergeben werden. Dazu äußert sich der Bundesgesundheitsminister nicht dezidiert und das ist ein Problem, das im Vorfeld abgeräumt werden muss.“

Der SPD-Politiker sagte, der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen habe in seinem Gutachten 2018 über die „Bedarfsgerechte Steuerung der Gesundheitsversorgung“ die aktuelle Situation der Notfallversorgung in Deutschland analysiert und erheblichen Reformbedarf in den unterschiedlichen Versorgungsbereichen festgestellt sowie richtungsweisende Empfehlungen zur Neuordnung erarbeitet. „Es ist vor diesem Hintergrund unabweisbar richtig, dass es eine neue Art der Koordinierung braucht – was ist rettungsdienstlich zu versorgen, was ist akut, aber kein Notfall und was kann der hausärztlichen Praxis zugewiesen werden“, so der SPD-Politiker. Zum Entwurf aus dem Hause von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sei kritisch anzumerken, dass in Folge der Reform die Rettungsleitstellen nicht mit Terminsuchen belastet werden dürfen, dass es keine unkalkulierbaren Kostenverschiebungen zuungunsten der Kommunen und Landkreise geben dürfe und ohne Beteiligung der Länder und der Kommunen keine strukturellen Entscheidungen bezüglich der Notfallversorgung getroffen werden sollten.

Lottke verwies auf die Beratungen der vom Landtag eingesetzten „Enquetekommission zur Sicherstellung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung in Niedersachsen“: „Wir haben uns im Frühjahr 2019 ausführlich mit den Problemen des Rettungsdienstes und der Notaufnahmen beschäftigt. Dort haben wir nach den Vorschlägen des Sachverständigenrates bereits im vergangenen Frühjahr Konsens hinsichtlich der Bildung regionaler integrierter Leitstellen zur Koordination aller nichtpolizeilicher Gefahrenabwehr und des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes erzielt.“ Der SPD-Politiker ist selbst Mitglied des Expertengremiums. Die parteiübergreifend und mit externen Experten besetzte Enquete-Kommission plädiere für den Aufbau integrierter Notfallzentren (INZ) in Krankenhäusern und dort eine auf medizinischen Kriterien bestehende Steuerung nach Behandlungsdringlichkeit zusammen mit Hausärzten und den angestellten Klinikärzten.

Lottke: „Offen ist aktuell, welche Krankenhäuser ein solches INZ bekommen werden. Wir werden die Diskussion in der Enquetekommission im April/Mai vor dem Hintergrund der Entwicklungen auf Bundesebene wieder aufnehmen.“ Die Kommission sei ein gutes Beispiel dafür, dass es mit Beteiligung aller wichtigen Player nach zähem und durchaus sehr kontroversem Ringen um Positionen auch zu gemeinsam getragenen Ergebnissen kommen könne, so der SPD-Politiker.